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Tagebuch Feldforschung #kulturblog5

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Schloss Ballmertshofen

Autor: Brigitte Himmer

Tagebuch Feldforschung #kulturblog5
am 29.11.2018 im Schloss Ballmertshofen (Dischingen)

Fünftes Treffen mit Teilnehmer*innen vom Härtsfeld in Ballmertshofen 

Projektleitung: Brigitte Himmer und Leslie Roehm

„Wenn Trübsal einkehrt nicht verzage, es kommen wieder bessre Tage“ lautet einer der Sinnsprüche, die im Schloss Ballmertshofen zu bewundern sind.

Welchen Stellenwert hatten diese Lebensweisheiten, die einst von Härtsfelder Frauen auf Stramin gestickt, in den Häusern hingen?

Spielen sie auch in der heutigen Zeit von Globalisierung, Internet und social media noch eine Rolle?

Gibt es Geschichten, die hinter diesen Sprüchen stehen?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir alle interessierten Härtsfelder*innen am 29. November 2018 zu einer Sonderführung ins Schloss Ballmertshofen eingeladen.

Freundlicherweise haben sich die beiden ehrenamtlichen Museumsführer, Klaus Moosmaier und Tilo Meyer, bereit erklärt, für uns eine Führung außerhalb der offiziellen Saison zu ermöglichen. Kurz vor 15:00 Uhr waren wir vor Ort, begrüßten die beiden Herren und warteten auf die Teilnehmer. Wir hatten eine, für unser Empfinden stattliche Anzahl von Anmeldungen in der Tasche, aber mit einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet. Umso größer war die Überraschung, als sich der Vorraum in kurzer Zeit füllte. Es waren bekannte Gesichter, die bereits bei einigen der letzten Treffen dabei waren, aber auch vollkommen neue Teilnehmer. Ein paar Interessierte vom letzten Treffen haben wir vermisst, was wir sehr bedauert haben.

Meine Kollegin, Leslie Roehm, und ich wurden dann als die „Theater-AG“ aus Aalen vorgestellt, und alle waren neugierig, was wir jetzt zum Besten geben würden.

Wir haben daraufhin natürlich erst noch mal unser Projekt erklärt und klargestellt, dass nicht wir hier die Hauptakteure sind, sondern dass alle interessierten Härtsfelder*innen eingeladen sind, aktiv das Projekt „Wir sind das Härtsfeld“ mitzugestalten.

Nach dieser Einführung wurden wir vor dem Schloss mit der bewegten Geschichte und der Architektur des Bauwerks vertraut gemacht. Der Standort an einer Kreuzung zweier wichtiger Straßen, die nachweislich schon die Römer nutzten, war ein strategisch bedeutender Punkt. Zuerst stand hier eine Burg, später wurde dann am gleichen Platz das Ortsschloss errichtet. Es beherbergte das fürstliche Rentamt (Thurn und Taxis),  war Sitz des Oberjägermeisters, später wurde es von der Gemeinde als Rathaus und Schule genutzt. Seit 1994 ist in den Räumen die „Ländliche Bildergalerie“  mit unzähligen  Exponaten aus den Härtsfeldhäusern untergebracht.

Und genau diese Sammlung von Bildern und Sinnsprüchen nahmen wir nun, aufgeteilt in zwei Gruppen,  genauer unter die Lupe. Der erste Eindruck „es gibt keinen freien Fleck an den Wänden“ erwies sich am Ende der Führung als richtig. Wo keine Bilder hängen, stehen kunstvoll gestaltete gusseiserne Ofenplatten.

Hier findet man Bilder und Sprüche für alle Lebenslagen:  Engelsbilder und Taufsprüche, die über Kinderbetten hingen, Trausprüche für eine gute Ehe,  „Die heilige Familie“ in verschiedenen Variationen – diese hing in den Schlafzimmern der Eltern und Großeltern, Heiligenbilder als Souvenir einer Wallfahrt, z.T. mit Text in mehreren Sprachen – damit konnte man Eindruck machen, Totenbilder und – sprüche, daneben aber auch Bilder junger Härtsfelder Soldaten, Bilder aus Wirtshäusern mit jagdlichen Motiven / Wildererdarstellungen, usw. Ergänzend  dazu veranschaulichen Aufnahmen in unserer Bildergalerie das Repertoire.

Der Großteil der Bilder und Sprüche zielte auf eine Gott gefällige Lebensführung ab. Der Glaube war für das harte, entbehrungsreiche Leben auf dem Härtsfeld eine wichtige Stütze. Gottvertrauen war eine Institution. Für die fahrenden Händler, die die mittlerweile „industriell“ gefertigten Massendrucke vertrieben, war es ein lukratives Geschäft. Auch damals gab es schon „geschäftstüchtige“ schwarze Schafe der Branche, die mit der Angst der Menschen ihr Geld verdienten. Sie hatten unter Anderem  „Versicherungsscheine“ im Angebot, deren Erwerb vor Feuer und Krankheit schützen sollte. Menschen, die sich nicht auf einen Kauf einließen, wurden schnell eines Besseren belehrt. Nachts kam nämlich der Händler zurück, legte ein Feuer und konnte sicher sein, dass er beim nächsten Besuch sein Geschäft machen würde.

Die Sinnsprüche, die in den Stuben hingen, wiesen auf  häusliche Tugenden hin, erinnerten daran, Vater und Mutter zu ehren, erzählten aber auch davon, dass das „Kreuz“ leichter zu tragen sei, wenn man mit einem „guten Weib“ gesegnet war.

Nach einer guten Stunde verließen alle sichtlich beeindruckt das Schloss. Die meisten Teilnehmer hatten noch nie diese Ausstellung besucht, obwohl sie schon unzählige  Male daran vorbeigefahren waren.

Im nahe gelegenen Gasthaus Hirsch trafen wir uns dann zu einer geselligen Nachbesprechung.

Wir hatten einen Fragebogen zu den Hintergründen und Auswirkungen der  Sinnsprüche für die Teilnehmer ausgeteilt und  über das Erlebte lebhaft diskutiert. Es wurden auch wieder kleine Geschichten und Anekdoten erzählt. Um 18:00 Uhr löste sich dann die Runde allmählich auf.

Das Resümee des fünften #Kulturblog:

Die Teilnehmerzahl und die Rückmeldungen der Interessenten waren sehr positiv.

Der Sinnspruch aus der Sammlung, der die meisten Teilnehmer beeindruckt hat:

„Ein Fröhlich Herz, ein friedlich Haus, das macht das Glück des Lebens aus.“

Einen gravierenden Einfluss auf  das persönliche Leben durch die alten Sinnsprüche hat niemand explizit bestätigt.

Ob traditionelle Lebensweisheiten heute noch Gültigkeit haben, hängt von der Einstellung des Einzelnen ab.

Ihren Kindern haben sie schon Lebensweisheiten mit gegeben, so wie es sich halt im Alltag ergibt, wie z.B. „Ohne Fleiß kein Preis“ oder „Aller Anfang ist schwer“…

Aktuelle Sinnsprüche kann man heutzutage auf rostigen Dekorationsgegenständen in den Vorgärten finden, wie z.B. „Ein Garten ohne Blumen ist wie ein Leben ohne Liebe“.

Für unsere Suche nach Schauspielern bekamen wir wieder reichlich Hinweise auf Laientheatergruppen vom Härtsfeld, die Liste werden wir abarbeiten.

Aus den Reihen der Teilnehmer kam die Anregung, ein regelmäßiges Treffen ins Leben zu rufen, um sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Wir werden die Idee auf alle Fälle unterstützen und weiter verfolgen. Die Umsetzung  kann ein Etappenziel unseres Projekts sein.

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